Freitag, 16. Dezember 2011

Von Feuern und Menschenrechten

Raul Krauthausen (auch ein Rollstuhlfahrer aus der Hauptstadt) hat in seinem Blog von den Schwierigkeiten berichtet, wenn 2 Rollstuhlnutzer gleichzeitig ein Kino besuchen wollen.

Ich hatte solche Erlebnisse auch schon - unter anderem im Tempodrom: Mit einem Freund gemeinsam, der auch im Rollstuhl sitzt, wollte ich mir die Show "Holiday on Ice" ansehen. Kaum saßen wir im Zuschauerraum, kam ein Sicherheitsbeauftragter auf uns zu: "Wer von Ihnen ist der Rollstuhlfahrer und wer der Begleiter?" Er bezog sich damit auf die (vermutete) Berechtigung, durch eine Person begleitet zu werden, die in meinem Schwerbehindertenausweis tatsächlich vermerkt ist.

Diesen Nachteilsausgleich habe ich immer als Berechtigung empfunden und ausgelegt, aber nie als Zwang, immer begleitet werden zu müssen. Für eine 24-Stunden-Begleitung (Bewachung müsste man eigentlich sagen) sind auch nirgendwo finanzielle Mittel vorgesehen...

Also antwortete ich "Das können Sie sich aussuchen!"

Diese Antwort fand der Sicherheitsbeamte nicht lustig.

"DER Begleiter geht nicht."

"Wie meinen Sie das?"

"Sie brauchen einen anderen!"

"Ich will aber keinen anderen."

"Der geht nicht. Der muss laufen können"

"Wozu? Er soll nicht Schlittschuh laufen, sondern nur zugucken."

"Damit er Sie hier rein und wieder raus bringen kann."

So langsam hörte auch das Publikum in den Reihen hinter uns mit...

"Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon aufgefallen ist - ich bin hier schon drin."... "und wenn ich doch selbständig zu meinem Platz gekommen bin, dann ist doch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich auch selbständig wieder raus komme, oder?!" Rumoren und Gelächter im Hintergrund....

"Wegen dem Brandschutz. Wenn ein Feuer ausbricht..."

"Wenn ein Feuer ausbrechen sollte, dann hilft auch nicht nur ein Begleiter, dann müssen mehrere Personen mit anpacken - 1 Rollstuhl, 4 Ecken, 4 Männer."

Keine Antwort.

"Und ich bin sicher, dass die anderen Zuschauer mithelfen werden, wenn so ein Fall eintreten sollte." Kopfnicken rundum...


Mit freundlicher Genehmigung von Hubbe Cartoons

Fazit: Bei allen Brandschutz- und Sicherheitsbegründungen frage ich mich, von wessen Sicherheit reden wir hier überhaupt? Wenn ich als Rollstuhlfahrerin aus genau diesen Gründen nicht die Aussichtsplattform im Fernsehturm besuchen darf - geht es dann um meinen Schutz oder darum, dass ich die Evakuierungswege der Anderen blockieren würde?

Was ist mit Dicken? Die nehmen auch mehr Platz weg...

Was ist mit Alten, die nicht mehr ganz so fit sind, um Hunderte Stufen zu bewältigen?

Und kontrolliert eigentlich jemand, ob es Besucher gibt, die einen Herzschrittmacher tragen? In Stresssituationen könnten die auch schlapp machen...


Oder wollen wir mal anfangen, volljährige Menschen mit sichtbarem Handicap als erwachsene, selbstbestimmte Menschen zu behandeln, die eigenverantwortlich Risiken abschätzen und eingehen können?

Ich - für meinen Teil - werde jedenfalls weiterhin mit der Begleitung meiner Wahl oder auch ohne Konzerte und Veranstaltungen besuchen, an Demonstrationen teilnehmen oder auch am Public Viewing. Ich werde weiter LEBEN.

1 Kommentar:

  1. Genau das ist der Punkt: Es geht nicht darum, ob man einen Rollstuhlfahrer schnell evakuieren kann, sondern dass mehrere Rollstuhlfahrer den Fliehenden im Weg stehen könnten. Ich warte ja noch darauf, dass mir ein Flug verweigert wird, weil ich ja die Anweisungen des Personals im Notfall vielleicht nicht verstehe. Ist manchen Gehörlosen schon passiert... Exklusion wird in unserer Gesellschaft groß geschrieben.

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